Zwillinge und ihre Geschwister: Eine besondere Konstellation

Das Aufwachsen als Geschwister von Zwillingen kann sich anders gestalten als das Aufwachsen mit Geschwistern unterschiedlichen Alters. Schließlich ist es etwas außergewöhnliches, wenn zwei Babys auf einmal in die Familie kommen. Vor allem, weil sie zeitgleich heranwachsen und alles miteinander teilen. Das kann für ältere Geschwister mitunter mehr Geduld und Kompromissbereitschaft bedeuten.

Zusätzlich stehen Zwillingsgeschwister oft im Mittelpunkt, sodass sie mehr Aufmerksamkeit erhalten. Für ihre Geschwister ist das manchmal sehr anstrengend und nervig, auch wenn sie jünger und von Anfang an daran gewöhnt sind, Zwillingsgeschwister zu haben.

In diesem Blogartikel erfährst du:

  • welche Herausforderungen Geschwister von Zwillingen haben können
  • welchen Unterschied es macht, ob Geschwister älter oder jünger als die Zwillinge sind
  • was es mit der Zygosität und der Zwillingsbindung auf sich hat

Außerdem gebe ich dir Tipps, wie du als Eltern mit der Situation umgehen kannst, dass sich deine Einlingskinder nicht ausgeschlossen fühlen.

Als eineiiger Zwilling habe ich eine 5 Minuten jüngere Zwillingsschwester, einen vier Jahre jüngeren Bruder und eine sechs Jahre jüngere Schwester. Ich habe mich oft gefragt, wie es wohl für sie war, mit uns Zwillingen aufzuwachsen. Ich kann mich gut daran erinnern, dass sie es mit unserer starken Zwillingsmacht, unserer doppelten Präsenz und der Aufmerksamkeit, die wir durch unser gleiches Aussehen erhielten, nicht immer leicht hatten.

Aber auch wir Zwillinge mussten Ungerechtigkeiten unter uns Geschwistern erfahren. So kam es z.B. durchaus vor, dass meine jüngeren Geschwister von Besuchern jeweils etwas mitgebracht bekamen, während meine Schwester und ich etwas zusammen erhielten, das wir uns teilen mussten.

Einzelkind trotz Geschwister

Nicht selten fühlen sich Geschwister von Zwillingen wie Einzelkinder. Nicht zuletzt, weil ihre Zwillingsgeschwister denselben Geburtstag und das gleiche Alter teilen, sondern auch die meisten Erfahrungen und alle Entwicklungsschritte gemeinsam erleben. Dagegen befinden sich Einzelgeschwister immer auf einer anderen Entwicklungsstufe und haben daher oft andere Interessen als ihre Zwillings- oder Einzelgeschwister.

Neben der Zygosität der Zwillinge – also ob sie ein- oder zweieiig, gleich- oder gegengeschlechtlich sind – spielt für die Beziehung zueinander auch die Geschwisterkonstellation eine wichtige Rolle. D.h. ob das Einzelgeschwister älter oder jünger als die Zwillinge ist oder ob es noch weitere Einzelgeschwister in der Familie gibt.

In Familien, in denen es neben einem Zwillingspaar zwei weitere Einzelgeschwister gibt, können sich verschiedene Geschwistergruppierungen bilden: Entweder Einzelformationen, bei denen jedes Geschwisterkind für sich ist, oder aber zwei Zweier-, eine Dreier- und Vierergruppierung, in denen die Geschwister in unterschiedlichen Kombinationen miteinander umgehen.

Die 4er Gruppierung

Die 4er-Gruppierung kann in verschiedenen Kombinationen auftreten:

  • Jedes Kind ist für sich
  • Es gibt zwei Pärchen (Zwillinge und Geschwister oder je ein Geschwister und ein Zwilling)
  • Jeweils ein Zwilling und ein Einzelgeschwister, die anderen sind für sich
  • Alle Vier sind zusammen

In meiner Kindheit waren wir am häufigsten in der Pärchen-Konstellation vertreten, in der wir Zwillinge für uns und meine Geschwister für sich waren. Manchmal haben wir uns bewusst gegen sie abgeschottet, sodass sie nicht bei uns mitspielen durften. Wenn wir uns gestritten haben, gab es zwei Lager: Wir gegen die „Babys“.

Natürlich haben wir auch zu viert gespielt, doch eher selten war es, dass einer von uns Zwillingen mit einem Einzelgeschwister alleine zusammen war. Grundsätzlich ist diese Gruppierungsform für alle Geschwister etwas entspannter, da sich hier meistens keiner ausgeschlossen fühlt. Allerdings kommt es auch hier noch auf weitere Komponenten an, auf die ich gleich noch eingehen werde.

Die 3er Gruppierung

Wenn Zwillinge nur ein weiteres Geschwister haben, entsteht zwischen den Geschwistern ein Dreiecksverhältnis.

Dadurch kann passieren, dass:

  • das Einzelgeschwister das Gefühl hat, zwischen den Zwillingen “aufgeteilt” zu werden
  • sich das dritte Kind hin und wieder ausgeschlossen fühlt und
  • es Schwierigkeiten hat, in die bestehende Dynamik der Zwillinge aufgenommen zu werden
  • Situationen entstehen, in denen sich das Einzelgeschwister mit einem der Zwillinge verbündet. Dadurch kann es schnell zu Enttäuschungen kommen, weil der Zwilling die Verbundenheit vielleicht schnell wieder auflöst, um sich seinem Zwilling anzuschließen
  • das Einzelgeschwister zwischen den Zwillingen vermitteln möchte und sich dabei für einen der beiden positioniert

Eine 3er-Gruppierung bietet jedoch auch die Chance, dass das Einzelgeschwister zu jedem seiner Zwillingsgeschwister eine einzigartige Beziehung aufbaut.

Zygosität

Wie stark der Zusammenhalt unter den Geschwistern ist, kann auch durch die Zygosität der Zwillinge beeinflusst werden. Generell haben alle Zwillinge gemeinsame, intensive vorgeburtliche Erfahrungen gemacht. Sie befinden sich in der gleichen Entwicklungsphase und haben eine gemeinsame Identität. Das alles ist für ihre Bindung prägend.

Dennoch haben Untersuchungen ergeben, dass eineiige Zwillinge die engste Bindung zueinander haben, besonders weibliche. Ursache hierfür sind vor allem ihre gleiche genetische Veranlagung, weshalb sie häufig gleiche Interessen, Vorlieben und ähnliche Verhaltensweisen haben. Das bindet sie noch enger aneinander.

Etwas anders ist es bei zweieiigen gleichgeschlechtlichen Zwillingen. Auch hier liegen bindungstechnisch die Mädchen etwas vor den Jungen. Da sie 50 % gleiche Gene besitzen können sie eine ähnlich enge Bindung wie die eineiigen Geschwister haben. Gleichzeitig können sie durch unterschiedliche Verhaltensweisen und Interessen offener für die Verbindung mit einem Geschwister mit Altersunterschied sein.

Bei gegengeschlechtlichen Junge-Mädchen Zwillingen ist es noch etwas anders. Ihnen wird unter allen Zwillingen die „schwächste“ Bindung zugeschrieben. Das ist u.a. auf die verschiedenen Interessen aufgrund ihrer Geschlechter zurückzuführen. Oftmals ist es so, dass sich ein weiteres Geschwister eher mit dem Zwilling gleichen Geschlechts verbindet als gleichgeschlechtliche Zwillinge mit einem Einzelgeschwister.

Dennoch gilt auch für alle zweieiigen Zwillinge, dass sie sich oft näher stehen als ihrem Geschwister mit Altersunterschied.

Jüngere Geschwister: Von Anfang an dabei

Bei der ganzen Komplexität der Geschwistergruppierungen und – konstellationen kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, der die Beziehung der Geschwister untereinander beeinflussen kann: Die Rangfolge unter den Geschwistern. So kann es durchaus einen Unterschied machen, ob Einzelgeschwister jünger oder älter als die Zwillinge oder ob die Zwillinge die Erstgeborenen sind.

Meine jüngeren Geschwister kannten es z.B. nicht anders, als mit uns Zwillingen aufzuwachsen. Als sie auf die Welt kamen, waren wir bereits da und sie mussten sich als “kleiner Bruder” und “kleine Schwester” mit uns arrangieren. Das Leben mit uns war für sie bestimmt nicht immer einfach, vor allem als sie etwas älter wurden und sich gegen uns behaupten mussten.

Für Zwillinge ab ca. 4 Jahren ist der Zuwachs eines jüngeren Geschwisters meistens kein Problem. Sie können sich gegenseitig beschäftigen, fühlen sich nicht so einsam, wollen gerne helfen und sind daran gewöhnt, die Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu teilen. Vorher können sie durchaus sehr eifersüchtig sein.

Jüngere Geschwister hingegen müssen erst ihren Platz zwischen den Zwillingen finden. Sie können außerdem mit der vielen Aufmerksamkeit, die ihre Zwillingsgeschwister bekommen, Probleme haben.

Ältere Geschwister: Vorfreude und Realität

Gab es vor den Zwillingen bereits ein älteres Geschwister, kann es für dieses Kind schwierig sein, sich mit dem Neuzugang der Zwillinge zu arrangieren. Schließlich fokussiert sich nun die Aufmerksamkeit der Eltern auf die Zwillinge und das ältere Geschwister muss lernen, seine Eltern nun mit zwei weiteren Babys zu teilen. Das kann – je nach Alter – zu Eifersucht oder Verhaltensänderungen (wie z.B. Babyverhalten, Bettnässen) führen, wenn sich das ältere Kind vernachlässigt fühlt.

Auch Großeltern und andere Verwandte müssen nun die Aufmerksamkeit auf alle Kinder verteilen. Daher kann es für ältere Geschwister schwieriger sein, sich mit der neuen Familiensituation abzufinden als für jüngere Geschwister.

Studien haben außerdem ergeben, dass es „großen Brüdern“ schwerer fällt Zwillingsgeschwister zu akzeptieren als „großen Schwestern“. So versuchen Erstgenannte öfter der Anführer der Zwillinge zu sein oder das Zwillingspaar auseinander zu bringen.

Entscheidend ist jedoch, wie du als Eltern dein ältestes Kind auf die bevorstehenden Veränderungen vorbereitest, im Vorfeld planst und organisierst und versuchst die Bedürfnisse aller Geschwister zu berücksichtigen. Ganz klar, keine leichte Aufgabe!

Oft freuen sich ältere Geschwister auch, wenn sie als „großer Bruder“ oder „große Schwester“ bei der Versorgung unterstützen dürfen. Sie sollten außerdem wissen, dass auch andere enge Bezugspersonen, wie Großeltern oder Freunde, sich um sie kümmern werden.

Die Geschwisterbeziehung stärken

Es ist ganz normal, dass Geschwisterkinder ambivalente Gefühle gegenüber ihren Zwillingsgeschwistern haben. Einerseits sind sie begeistert und freuen sich, Schwester oder Bruder zu sein, andererseits sehen sie Zwillinge auch als Eindringlinge.

Eine gute Geschwisterbeziehung zu fördern, ist sowohl für das Wohlbefinden und die Entwicklung der Kinder als auch für die Familiendynamik wichtig. Als Eltern kannst du dazu beitragen, indem du die Individualität und Einzigartigkeit jedes Kindes wertschätzt und förderst.

Hier sind einige Ideen für dich zusammengefasst, wie du eine gute Geschwisterbeziehung unterstützen kannst:

  • Bereite das ältere Kind ab dem 5. Schwangerschaftsmonat auf die Neuankömmlinge vor, damit das Warten bis zur Geburt nicht unnötig lang wird.
  • Erkläre deinem älteren Kind im Vorfeld, was sich durch die Geburt der Zwillinge ändern wird, und unterstütze es bei der Anpassung.
  • Lese mit dem Kind Bücher zum Thema oder gebe ihm identische Puppen oder Kuscheltiere, um sich spielend auf die bevorstehende Situation vorzubereiten.
  • Erkläre deinem älteren Kind, dass es trotz der Zwillinge weiterhin eine wichtige Rolle in eurer Familie haben wird/hat und dass ihr, nachdem sich alles eingependelt hat, nach wie vor Einzelzeit haben werdet.
  • Beachte jedes Geschwisterkind individuell und vermeide es, deine Zwillinge in den Vordergrund zu stellen. Beziehe immer das Geschwisterkind mit ein.
  • Gib jedem Kind individuelle Zeit für Aktivitäten allein mit Mama oder Papa.
  • Lasse das ältere Geschwister aktiv bei der Betreuung der Zwillinge mithelfen, sofern es das möchte.
  • Unternehmt regelmäßig gemeinsame Aktivitäten, um die Bindung zwischen den Geschwistern zu stärken.
  • Nutze die Zeit, wenn die Kinder schlafen, um deinem älteren Kind individuelle Aufmerksamkeit zu schenken.
  • Sorge dafür, dass sich Großeltern oder Babysitter intensiv um das ältere Geschwister kümmern, damit es sich vernachlässigt fühlt.
  • Achte darauf, dass jedes Kind in der Familie gleiche Aufmerksamkeit bekommt.
  • Gewähre dem älteren Geschwister bestimmte Vorzüge, um seine Rolle zu stärken.
  • Achte darauf, dass deine Zwillinge nicht als geschlossene “Bande” auftreten, sondern mit jedem Geschwisterkind individuelle Verbindungen pflegen.
  • Wechsle – wenn möglich – in regelmäßigen Abständen die Zimmerzusammensetzung, um unterschiedliche Bindungen zwischen den Geschwistern zu fördern.
  • Führe regelmäßig offene Gespräche über Gefühle, Bedenken und Sorgen, um Missverständnisse zu klären und ein unterstützendes Familienumfeld zu schaffen.

Fazit

Die Beziehung zwischen Geschwistern, insbesondere in Familien mit Zwillingen, ist vielschichtig und facettenreich. Die verschiedenen Konstellationen, Rangfolgen und Interaktionen der Geschwister prägen die Dynamik der Beziehung. Daher braucht jede Geschwisterbeziehung Zeit und Geduld, um zu wachsen und sich zu entwickeln.

Deine Rolle als Eltern ist entscheidend, um eine positive Geschwisterbeziehung zu fördern, indem du jedem Kind Aufmerksamkeit schenkst und zwischen den Geschwistern vermittelst. Es ist wichtig, dass du die unterschiedlichen Bedürfnisse jedes Geschwisterkindes erkennst und individuell darauf eingehst. Außerdem solltest du den Raum und die Privatsphäre jedes deiner Kinder respektieren und sie in ihrer individuellen Entwicklung fördern.

Da es unter den Geschwistern schnell zu Eifersucht und Konkurrenz kommen kann, ist es wichtig, dass du einfühlsam darauf reagierst und jedem Kind individuelle Unterstützung bietest.

Auch durch eine offene Kommunikation und das Schaffen gemeinsamer Erlebnisse kannst du als Eltern eine positive Geschwisterbeziehung fördern und ein unterstützendes Umfeld schaffen.

Sollten ernsthafte Konflikte auftreten, kann die Einbeziehung professioneller Hilfe ratsam sein, nicht nur um die Kommunikation zu verbessern und Lösungen zu finden, sondern auch um die Geschwisterbeziehung und Familiendynamik auszugleichen.

Ich hoffe, dieser Blogbeitrag hat dir einen Einblick in die Geschwisterdynamik mit Zwillingen gegeben. Teile gerne deine eigenen Erfahrungen und Tipps in den Kommentaren.

Wenn du weitere Unterstützung bei der Bewältigung der Herausforderungen oder eine individuelle Beratung benötigst, stehe ich dir gerne zur Verfügung. Vereinbare gleich hier einen Termin für ein persönliches Gespräch, um mir deine Fragen und Anliegen mitzuteilen.

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