Streit unter Zwillingen

Wenn du mit Geschwistern aufgewachsen bist, weißt du, dass Streitereien untereinander so normal sind wie das „Amen in der Kirche“. Ich bin neben meiner Zwillingsschwester mit zwei weiteren Geschwistern aufgewachsen und weiß wovon ich spreche. 😉

Streitereien unter Zwillingen sind zum Teil ähnlich. Doch die Umstände, Hintergründe und Zusammenhänge für einen Streit können sehr verschieden sein. In diesem Beitrag erfährst du:

  • Warum Streit unter Zwillingen anders ist als Streit zwischen Einzelgeschwister
  • Warum Streit für Zwillinge sogar wichtig ist
  • Wie du als Eltern oder Zwilling damit umgehen kannst

Warum sich Geschwister streiten

Geschwister streiten sich, egal ob Zwillinge oder Einlinge. Streit gehört einfach dazu, weil jeder Mensch für sich und seine Bedürfnisse einstehen und sie durchsetzen möchte.

Menschen entwickeln eigene Meinungen und vertreten diese. Durch Streit lernen sie, wie man mit Konflikten umgeht – aber auch wie schön es sein kann sich wieder zu versöhnen. Du kennst das bestimmt.

Außerdem haben sich Geschwister nicht gegenseitig ausgesucht. Sie sind meist vom Charakter sehr unterschiedlich.

Sie leben i.d.R. in einem Haushalt und müssen lernen Kompromisse einzugehen. Denn nur so ist ein friedliches, gemeinschaftliches Zusammenleben möglich. Seinen Willen durchzusetzen, ohne auf andere Rücksicht zu nehmen, funktioniert nur bedingt und führt ohne Frage zu Streit.

Streit ist daher für alle Geschwister wichtig, weil es Teil ihrer Persönlichkeitsentwicklung ist.

Da sich Kinder der Liebe ihres Geschwisters sicher sein können, sind solche Streitereien meistens intensiver als wenn sie sich mit dem besten Freund oder Freundin streiten.

Hinzu kommt, dass Geschwister die Schwachstellen des anderen sehr gut kennen. Sie wissen genau, wie sie diese besonders treffen und triggern können.

Wenn Einzelgeschwister eigene Zimmer haben, können sie sich außerdem nach einem Streit dorthin zurückziehen.

Kracht es zwischen ihnen, haben sie eigene Freunde, bei denen sie sich ausweinen sich trösten lassen können. Durch den Geschwisterstreit werden ihre Freundschaften nicht beeinträchtigt. Sie können sich nachmittags mit ihnen verabreden und so dem Streit entkommen.

Auch in der Schule können sich Geschwister mit Altersunterschied aus dem Weg gehen, selbst wenn sie auf derselben Schule sind.

Durch den Altersunterschied muss oft das ältere, „vernünftigere“ Geschwister auf das Jüngere Rücksicht nehmen. Meistens muss auch nur einer der Geschwister die elterlichen Konsequenzen tragen und nur gelegentlich mal beide zusammen.

All das ist bei uns Zwillingen sehr oft anders…..

Warum sich Zwillinge streiten

Natürlich ist auch bei Zwillingen Streit ganz normal, der sich unterschiedlich äußern kann. Allerdings verändert sich mit der Zeit die Qualität der Streitereien. So sind pubertäre Auseinandersetzungen meist extremer und anders als kindliche. Das liegt daran, dass sich die Streitthemen durch die Entwicklung einer eigenen Identität verändern.

Streit in der Kindheit

Als Eltern hast du vielleicht selbst schon erlebt, dass deine kleinen Zwillinge miteinander streiten sobald sie es können. Das liegt daran, dass sie sich als Individuen definieren möchten. Schließlich teilen sie von Geburt an alles miteinander – manche sogar ihr Aussehen. Weshalb sie sehr oft als eine Person oder Einheit gesehen werden, das wiederum Konflikte untereinander fördert.

Für deine Zwillinge kann streiten anfangs lustig sein, fast wie ein Spiel. Durch zu viel Teilen, Unstimmigkeiten und Meinungsverschiedenheiten untereinander, kann es bei ihnen jedoch zu Identitätsprobleme kommen. Das hat u.a. mit ihrer primären Bindung zu tun, die bereits im Mutterleib entstanden ist und aus der sich eine gemeinsame Identität entwickelt hat. (s. Zwillinge eine besondere Beziehung) Daher ist es nicht verwunderlich, dass Zwillinge wütender aufeinander sind als Geschwister mit Altersunterschied. Letztere streiten sich distanzierter, weil sie keine Elemente ihrer Identität miteinander teilen.

Streit unter deinen kleinen Zwillingen ist also unvermeidlich, weil:

  • sie sich aneinander messen, wer z.B. mehr Essen, Spielzeug, Verabredungen bekommt. Sie können oft nur zufrieden sein, wenn beide gleich sind
  • sie zu oft zusammen sind und sich gegenseitig zu sehr brauchen
  • sie alles miteinander teilen wie z.B. die Aufmerksamkeit, Liebe und Fürsorge der Eltern
  • sie sich miteinander überidentifizieren, das den Wettbewerb zwischen den beiden ebenfalls verschärft

Ihre Streitereien können auch deshalb sehr intensiv sein, weil sie (meist unbewusst) schon sehr früh eine Macht- und Rollenverteilung innerhalb der Zwillingsgemeinschaft vornehmen (s. Meine Rolle als “Innenministerin”). So kann z.B. sein, dass einer deiner Zwillinge oft zurücksteckt, und lernen muss sich gegen seinen dominanten Zwilling zu behaupten. Das ist jedoch nicht ganz einfach, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.

Wenn deine Zwillinge zusammen spielen kann es daher wettbewerbsorientiert und gesund oder aber aggressiv und verletzend sein.

Doch so schnell und heftig sie sich auch streiten mögen, so schnell können sie sich auch wieder vertragen und in den Armen liegen.

Warum Streit sogar gut ist

Auch wenn für dich als Eltern der Streit unter deinen Zwillingen sehr anstrengend sein kann, hat es auch etwas positives. Durch Kämpfen stellen sie fest, dass sie jeweils anders sind als ihr Geschwister.

Streiten ist also wichtig, damit deine Kinder lernen Grenzen zu setzen und den Raum des anderen zu respektieren. Dieser Prozess braucht jedoch Zeit!

Streit in der Pubertät

Die Pubertät ist eine Zeit, in der du dich als Zwilling über alles Mögliche mit deinem Geschwister streiten kannst, allerdings anders als in der Kindheit.

Zwischen mir und meiner Schwester wurden z.B. die Auseinandersetzungen schärfer und verletzender. Es ging nicht mehr hauptsächlich darum, wer was haben darf oder bekommt. Jetzt kamen noch Freunde, Jungs, Aussehen, Kleidung, Ideale, Interessen und die Abnabelung voneinander dazu. Für uns beide war es sehr stressig, wenn unsere Meinungen und Ansichten nicht übereinstimmten. Das führte zu Streit darüber, wer Recht hatte und wer nicht. Vielleicht kommt dir das bekannt vor!

Gerade wenn du dich von deinem Zwilling abnabeln möchtest, kann es zu besonders heftigen Streitereien kommen. Es können sehr verletzende Worte fallen, die nicht selten in Handgreiflichkeiten übergehen. Meine Schwester und ich rissen uns z.B. gegenseitig die Haare aus oder prügelten uns quer durch unser Zimmer. Für meine Eltern war das alles andere als lustig.

Solche krassen Streitereien gab es mit meinen anderen Geschwistern nie! Wir kannten unsere jeweiligen „Achilles-Versen“ einfach zu gut, was den Streit noch verstärkte und die gegenseitigen Beleidigungen treffsicherer machten.

Unschön wurde es allerdings, wenn unsere gemeinsamen Freunde einbezogen wurden, die für einen von uns Partei ergriffen. Auch unsere Eltern und Familienmitglieder mussten oft mit unseren emotionalen Problemen zurecht kommen, z.B. wer was bekommen sollte, wer Recht hatte und wer nicht.

Da wir uns bis ca. 16 Jahre ein Zimmer und Freunde teilten, war es recht schwer für uns sich aus dem Weg zu gehen und mal Zeit für sich alleine zu haben. Wenn eine von uns ihr Ruhe haben oder alleine unterwegs sein wollte, hieß das noch lange nicht, dass die andere das auch wollte. Kommt dir das bekannt vor? Ich fühlte mich dann meistens abgelehnt, einsam und war sehr traurig.

Vielleicht hast du aber auch schon mal Schuldgefühle gehabt, weil du z. B. keine Lust hattest, deinem Zwilling zu helfen, als er es brauchte. Du wolltest in dem Moment eben einfach deine Freiheit haben. Für uns war so etwas meistens sehr belastend. Weil wir am Ende beide unglücklich über die Situation waren und uns dann mitunter darüber stritten, wer wen wann wie ausgenutzt hatte.

Es kann durchaus sein, dass du so einen Streit, wie ich ihn mit meiner Schwester hatte, gar nicht kennst. Denn nicht alle Teenager-Zwillinge erleben so eine Form von Streit. Das hat mit dem Muster eurer Zwillingsbindung zu tun, dass sich bereits in eurer Kindheit entwickelt hat. Dieses Muster bestimmt, wie intensiv ihr euch einmal streiten werdet.

Wenn sich Zwillinge z.B. nicht miteinander vertragen, weil sie eine gespaltenen Bindung haben, dann streiten sie sich ständig darüber wer Recht hat und wer nicht. Wer klüger und hübscher ist, wer reifer ist und den besseren Freundeskreis hat, etc. Das kann dann langfristig eine Zwillingsbeziehung sehr belasten. Oder sogar dazu führen, dass sie sich als Erwachsene einmal entfremden werden – also nichts mehr miteinander zu tun haben wollen oder können.

Was dir helfen kann, wenn du dich mit deinem Zwilling streitest ist, dass du:

  • lernst, deinen Zwilling so zu respektieren wie er ist. Z.B. indem du ihm gegenüber nicht kritisch bist
  • Entscheidungen, Handlungen und Meinungen deines Zwillings nicht bewertest und beurteilst
  • deine Gedanken, die zu Streit, Konkurrenz und Eifersucht führen können, für dich behältst. Also nicht alles miteinander teilst
  • eigene Freunde hast und ein eigenes Zimmer (sofern das geht)

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es sehr schwer ist, sich nicht in die Probleme und Angelegenheiten des anderen einzumischen. Sie nicht als eigene zu sehen und zu bewerten. Wenn du hierbei Unterstützung von Außen brauchst, ist das völlig o.k. und absolut nicht ungewöhnlich!

Fazit

Abschließend kann ich also sagen, dass Streitigkeiten zwischen Zwillingen normal, sogar gesund und vor allem unvermeidlich sind. Wenn Zwillinge sich streiten, geht es häufig um:

  • Identitätsfindung
  • Machtungleichheit
  • Konkurrenz/Wettbewerb
  • Verstrickungen
  • Unabhängigkeit
  • Freunde
  • Teilen

Je nach elterlicher Erziehung, können Streitereien unter Zwillingen jedoch gefördert werden, was nicht sein muss. So entstehen Zwillingskämpfe ganz oft, weil Eltern Zwillinge:

  • als eine Einheit behandeln
  • oft unbewusst in „gut“ und „schlecht“ einteilen, um sie anders zu behandeln
  • nicht genügend Möglichkeiten für die individuelle Entwicklung geben
  • ein Stück weit gegenseitig „erziehen“ lassen. Wenn Eltern z.B. sehr wenig Zeit für ihre Kinder haben

Als Eltern solltest du daher darauf achten,

  • deine Kinder nicht zu spalten, in dem ein Zwilling z.B. immer als der „Unruhestifter“ und der andere als der „Liebe“ gesehen und behandelt wird
  • dass du mit jedem Zwilling einzeln über den Streit sprichst und für jeden unterschiedliche Konsequenzen festlegst bzw. nur für denjenigen, der etwas angestellt hat
  • mit jedem deiner Kinder Einzelzeit zu verbringen
  • darauf achten, dass sie nicht alles miteinander teilen müssen (z.B. Spiele, Hobbies, Freunde)

Schritte, die du als jugendlicher oder erwachsener Zwilling unternehmen kannst, um Konflikte zu lösen und eine gesunde Zwillingsbeziehung aufrechtzuerhalten, sind z.B.:

  • nicht alle Themen und Ideen miteinander teilen
  • sich gegenseitig respektieren und vergeben
  • einander nicht bewerten und beurteilen
  • eure jeweiligen Unterschiede akzeptieren
  • offen miteinander kommunizieren
  • gemeinsam Lösungen und Kompromisse finden
  • gegebenenfalls professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen

Als Zwillinge teilen wir eine einzigartige Bindung. Es ist aber auch wichtig, dass wir uns als individuelle Persönlichkeiten, mit unseren verschiedenen Interessen und Identitäten akzeptieren und respektieren. Weil es nämlich völlig normal ist, dass wir uns voneinander unterscheiden! Wenn uns das gelingt, dann können wir eine langfristige, gesunde und glückliche Beziehung miteinander führen.

Wenn du Unterstützung im Umgang mit den Streitereien deiner Zwillinge oder deines Zwillings benötigst, stehe ich dir gerne zur Verfügung. Vereinbare gleich hier einen Termin für ein persönliches Gespräch, um mir deine Fragen und Anliegen mitzuteilen.

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2 Antworten

  1. Liebe Ilka, deine Beschreibung von Problemen der Zwillingsmädchen ist sehr gut nachvollziehbar. Ich habe das weitergeleitet an ein Zwillingsmädchen, die einen Zwillingsbruder hat. Es gibt einige Probleme im Erwachsenenalter. Beide sind mit 60 Jahren Single und wohnen getrennt in verschiedenen Stadtteilen. Bin mal gespannt, ob du ihr helfen konntest. Liebe Grüße Ines

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